SIEGFRIED SCHMIDT-JOOS

Berlin
Autor


„Die Vergangenheit ist ein Teil von uns selbst,
vielleicht sogar der wichtigste.“
(Victor Hugo)

Einem ausgefuchsten Online-Surfer mag so etwas genauso unglaubwürdig und albern vorkommen wie etwa die Behauptung: „Ich kann auf beiden Händen übers Wasser laufen.“ Unglaublich. Aber wahr zumindest dies: Es gab menschliches Leben bereits vor der Erschaffung der virtuellen Welt. Und das Leben war schön, manchmal auch schön beschissen sogar vor der Erfindung des Internets.
Wer Ende der wilden 60er, Anfang der milderen 70er Jahre des letzten Jahrhunderts Musiksendungen im Radio moderierte, konnte sich nicht eben mal auf die Schnelle schlau machen bei Google, Wikipedia & Co. Wenn man sich nicht mit dem eigenen Halbwissen, dem vermeintlich Erinnerten oder der Waschzettel-PR der Plattenfirmen begnügen wollte, musste man sich seine Informationen mühsam erblättern oder erfragen (manchmal mit langer Leitung über den Atlantik).
Plötzlich wurde es Licht. Es kam aus der Ecke von Siegfried Schmidt-Joos. Hatte sich der Kettenraucher gerade mal wieder die nächste Zigarette angezündet? Oder steckte mehr dahinter? Fakt ist: Siegfried Schmidt-Joos und sein Co-Autor Barry Graves haben 1973 mit ihrem ersten Rock-Lexikon einen Geistesblitz gezündet, der die Szene erleuchtete und auch auf dem Markt einschlug – Auflage bis heute: eine halbe Million.
Das 350 Seiten starke Werk mit Jimi Hendrix als Cover-Boy war das erste und auf Jahre hinaus das einzige hierzulande, das die verschiedenen Facetten der Rock- Musik und ihrer stilistischen Verwandten im Blues, Jazz, Country und Folk beschrieb, erklärte, bewertete – und das auf unterhaltsame, pointierte, leserfreundliche Weise.
Der Mainzer Autor Christian Pfarr, SWR1-Musikredakteur und wie Schmidt-Joos einer von den ganz wenigen Enzyklopädisten der gesamten populären Musik, erinnert sich 2008: „Wenn es damals das Rock-Lexikon nicht gegeben hätte, hätte ich nicht gewusst, was ich lesen sollte über das, was ich am liebsten hörte.“
Solchen Erkenntnis-Spaß haben viele mit Christian Pfarr geteilt, gerade auch unter uns Radiomachern. Um ein paar Größen aus der Rock-Diözese zwischen Main und Mosel zu nennen, bei denen bis heute (und heute mehr denn je) Zuhören lohnt: Werner Reinke/ Lidia Antonini – Teamwork im HR; Volker Rebell aus demselben Frankfurter Funkhaus; Frank Laufenberg vom SWR.
Nach zweieinhalbjährigen intensiven Recherchen hat Siegfried Schmidt-Joos (wiederum bei Rowohlt, diesmal mit Co-Autor Wolf Kampmann) im August 2008 eine vollständig überarbeitete und erweiterte Neuauflage seines inzwischen legendären, gerade auch bei den Blueser-Biografien immer noch unschlagbaren Lebenswerkes veröffentlicht:
Rock-Lexikon. 2.200 Seiten in 2 Bänden (1.200 Biografien mit 16.000 Namen), Preis pro Band 16,95 €.
Auch sonst ist das multimediale Allround-Talent nicht gerade faul gewesen und bis heute eine Top-Adresse der deutschsprachigen Musik-Publizistik geblieben.
Er wirkte als Jazzredakteur bei Radio Bremen, später als Abteilungsleiter für Jazz Pop und U-Musik bei den Berliner Sendern RIAS und SFB. Vor 1968 gestaltete er beim WDR die TV-Nachmitagssendung „Swing-in“ für die ARD, nach 1968 war er zehn Jahre Kulturredakteur beim SPIEGEL. Außerdem schrieb oder edierte er Bücher über Jazz, Schlager, Liedermacher, Spirituals und Gospel Songs, über Pop-Idole und den Impresario Fritz Rau.
Wer den gewissenhaften, klugen und menschenfreundlichen SSJ kennenlernen möchte, lasse sich auf seine fast 600-seitige Portrait-Sammlung ein: „My Back Pages. Idole und Freaks, Tod und Legende in der Popmusik“ (2004).
Man trifft dort u.a. Ray Charles, Bob Dylan, B.B. King, Alexis Korner, John Lennon, Liza Minnelli und Frank Sinatra. Man kommt sich näher, so nahe wie selten zuvor.
Prägnante und amüsante Einzelheiten aus dem Leben des 1936 in Gotha geborenen Gaumen- und Brillenfreundes, RockÂ’n‘ Roll -Tänzers und Ex-Rauchers SSJ wurden 2001 in einer Festschrift der ganz anderen Art zusammengetragen, in dem Privatdruck: Wanted – „Alles wieder auf Anfang“. Siegfried Schmidt-Joos zum 65. Geburtstag.
In dieser Stipp-Visitenkarten-Sammlung melden sich 60 Freundinnen und Freunden zu Wort, unter ihnen Till Brönner, Klaus Doldinger, Katja Ebstein, Klaus Hoffmann, Manfred Miller, Bill Ramsey, Fritz Rau, Caterina Valente und Stefan Waggershausen:
Herausgegeben wurde die abwechslungsreichen Dokumentation von der TV-Journalistin, Romanautorin und Song-Texterin Kathrin Brigl. Seit dem 7.7.87, so kann man da lesen, sind sie verheiratet. Kennengelernt haben sie sich am 7.7.77, „seither Lebensgemeinschaft und berufliche Partnerschaft“.
Kathrin, Sigis liebstes Mädchen für alles, weiß also, was sie aussagen kann. Und was ihn antreibt: „Neugier und die Musik, seine Basismotivationen, aus denen sich Leidenschaft, Lebensfreude, Profession speisen“.
Neugier – dieser Begriff zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Für den Schlager- und Buchautor Dr. Michael Kunze ist Schmidt -Joos „ein absoluter Rock- und Pop-Experte, doch kein FachsimpelÂ… Er weiß über alles Bescheid, aber er hört nie auf zu fragen.“ Ulla Meinecke, Singer- Songwriterin: „Einen, der mehr Fragen als Antworten hat und dabei so viel weiß, trifft man nicht oft.“
Mit dem Publizisten Werner Burckhardt kriegen wir sogar die Kurve zum Festival-Thema und zum Blues-Preis-Träger 2008: „Hinhören ist Dir immer wichtiger gewesen als Erbsenzählen, und so hast Du während der Berliner Jazztage in den HeilÂ’gen Hallen der Philharmonie dafür gesorgt, dass in den Konzert-Pausen auch die Beatles zu Wort und Ton kamen. Ich war an und auf Deiner Seite, und wir schämten uns nicht, wenn uns der Internats-Blick der Orthodoxie trafÂ… Als 1962 zum ersten Mal das „American Folk Blues Festival“ zu uns kam, hast Du gejauchzt – der Hamburger Mitschnitt beweist es – und gepfiffen auf die Saubermänner, die da greinten: „D a s i s t j a R o c k ‚ n ‘ R o l l !“ “
Ohne dass sie wussten, wie ihnen geschah, haben sie die Ähnlichkeit von Blues und Baby auf den Punkt gebracht.
Wie bereits 1998 wird SSJ auch 2008 Exemplare seines jüngsten Rock-Lexikons signieren – in der Stadthalle, mitten im Auge des Blues-Orkans. Oder wie Sigi uns einmal ins Stammbuch schrieb: Einmal im Jahr ist „Lahnstein simply the Blues-Mekka of the world“.
Es gibt viele Gründe, warum „dieser wunderbare Siegfried Schmidt-Joos“ (Wiglaf Droste) mit dem Blues-Louis ausgezeichnet wird. Ein Grund, ein im Wortsinn ganz nahe liegender: Seit 1981, seit dem ersten Lahnsteiner Blues-Festival, hat er uns unterstützt – mit Rat und Tat und Etat.
Um einen großen deutschen Unterhaltungskünstler zu zitieren, den auch als Kopfballungeheuer beliebten Horst Hrubesch: „Nur ein Wort: Vielen Dank“!


(Text: Tom Schroeder)

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